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Kostenwahrheit ist das Grün der Ökonomen

Nach der Coronakrise nehmen die Diskussionen über die Klimapolitik wieder Schwung auf. In der Schweiz sind Politik und Gesellschaft vor der Abstimmung zum neuen CO2-Gesetz in hektischer Bewegung. Unbestritten ist dabei, dass der Klimawandel eine Tatsache und mit zahlreichen Gefahren verbunden ist.

Bei der Diskussion der Klimapolitik gilt es verschiedene ökonomische Prinzipien zu beachten. Ein besonders wichtiges dabei ist, dass die Preise von Gütern und Diensten sämtliche Kosten decken sollten, die bei der Herstellung und beim Konsum entstehen. Umweltbelastungen sind ein Paradebeispiel für die Nichtbeachtung dieser Erkenntnis, weil sie oft nicht im Preis berücksichtigt und damit nicht von den Verursachern, sondern von der Allgemeinheit getragen werden müssen. Man spricht in diesen Fällen von externen Kosten. Als Folge davon ist der Preis der umweltbelastenden Güter zu tief und sendet «falsche» Anreize aus, die zu einer Übernutzung der Umweltgüter führen.

Aus diesen Gründen ist Kostenwahrheit für die Ökonomie eine zentrale Forderung: Sie ist das Grün der Ökonomen. Im Grunde genommen eine triviale Erkenntnis, welches jedes Lehrbuch vertritt. Weniger trivial ist, warum sie nicht längst umgesetzt wurde (siehe weiter unten). Das zur Abtstimmung vorgelegte CO2-Gesetz gibt nun fossilen Treibstoffen einen höheren Preis. Dadurch werden die Vielfahrer mit hohem Treibstoffverbrauch stärker belastet, die Preise für Öl- und Gasheizungen steigen an und dass Fliegen wird teurer.

Zu bedauern ist, dass das Verursacherprinzip nicht konsequent umgesetzt wird. Anstelle einer einheitlichen und umfassenden Bepreisung der Treibhausgase setzt das Gesetz auf diverse Instrumente wie Gebote, Verbote und einen bunten Strauss von Subventionen. Subventionen aber widersprechen dem Grundsatz der Kostenwahrheit und fördern die Kostenunwahrheit. In den Genuss davon kommen besonders betroffene Branchen, förderungswürdige Unternehmen, innovative Startups und auch Städte und Gemeinden.

Steht man hinter diesem Prinzip der Kostenwahrheit, das nicht nur unter Ökonomen breite Unterstützung geniesst, dann erübrigt sich die unselige Diskussion über den minimalen Anteil der Schweiz am CO2-Ausstoss weitgehend. Der Sinn und Zweck der Kostenwahrheit ist ja, dass diejenigen, die mehr CO2 ausstossen, auch mehr zur Kasse gebeten werden und deshalb ihr Verhalten ändern. Erkennt und anerkennt man diese Zielsetzung, dann sind auch die kleinkarierten Debatten über die Verteilung der Kosten zwischen Arm und Reich, Stadt und Land, Familien und Singles hinfällig. Weil das neue Gesetz aber auf ein ganzes Bündel von Massnahmen setzt, sind solche Diskussionen kaum zu vermeiden.

Mit dem vorliegenden Gesetz vergibt die Schweiz die Chance auf eine bessere Klimapolitik, aber immerhin nähert sie sich der Kostenwahrheit an. Bei einem Nein würde sehr viel Zeit vergehen, bis dem Volk ein neues demokratisch legitimiertes Gesetz unterbreitet werden könnte.

 

Die Herausforderung der Kostenwahrheit

Umweltgüter gehören zu den sogenannten öffentlichen Gütern bzw. Allmendegütern. Ein Allmendegut charakterisiert sich dadurch, dass es kaum möglich ist, jemand vom Konsum auszuschliessen, auch wenn er nicht dafür bezahlt. Der Name der Allmende entspringt der gemeinschaftlich zugänglichen Weide, auf die die Bauern ihr Vieh bringen können. Die „Tragik der Allmende“ ist, dass der freie Zugang eben zur Übernutzung führt und damit zu einem gesellschaftlich unerwünschten Ergebnis. Eng verknüpft mit dem Allmende-Problem ist dasjenige des Trittbrettfahrers, das den Umweltschutz ebenfalls seit je begleitet: Für die Akteure ist es vorteilhaft, wie der Schwarzfahrer die Nutzung eines Gutes ohne Gegenleistung zu erlangen und die Kosten anderen zu überlassen. Deshalb müssen auf der Ebene der Gesellschaft Massnahmen ergriffen werden, welche die einzelnen Individuen den Anreiz vermitteln, sich im Sinne der Gesellschaft zu verhalten. Dabei besteht die Herausforderung, dass die Durchsetzung solcher Massnahmen umso wahrscheinlicher sind, je kleiner die betroffene Gemeinschaft ist. Bei der Allmende ist das relativ einfach. Die Emissionen von Treibhausgas aber verteilen sich global, so dass selbst einzelne Staaten kaum etwas von ihrer Klimapolitik spüren. Diese Herausforderung ist umso grösser, weil eine globale Instanz fehlt, die eine griffige Klimapolitik durchsetzen und kontrollieren könnte. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kosten des CO2-Ausstosses nicht in der Gegenwart, sondern in der Zukunft anfallen. Deshalb ist eine solche Klimapolitik erst für zukünftige Generationen von Nutzen.  So ist es nicht überraschend, dass global zu wenig zur Reduktion von Treibhausgasen getan wird. Nur wenn sich die Einsicht über den Sinn der Kostenwahrheit durchsetzt, sind Fortschritte möglich. Selbst wenn Massnahmen ergriffen werden, wie z.B. das vorliegende CO2-Gesetz in der Schweiz, ist die Gefahr eines Politikversagens gross. Das Politikversagen kommt in den massiven Subventionen zum Vorschein, im Bündel von Geboten und Verboten und auch darin, dass die Umweltabgaben nicht vollständig, sondern nur zur Hälfte an die Bevölkerung zurückbezahlt werden.

Avenir Suisse hat zur Klimapolitik dazu eine umfassende, sehr lesenswerte Publikation veröffentlicht.

 

 

Peter Eisenhut studierte Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik an der Universität St.Gallen. Er war Hauptlehrer an der Kantonsschule Heerbrugg. Danach war er Mitglied der Geschäftsleitung des St.Galler Zentrums für Zukunftsforschung und anschliessend Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell. Zudem war er Lehrbeauftragter an der Universität St.Gallen und an der Executive School der Universität St.Gallen. Seit 2008 ist er geschäftsführender Partner der ecopol ag Peter Eisenhut ist Autor des Lehrbuches «Aktuelle Volkswirtschaftslehre».

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