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Erstmalig: Eine Importsteuer auf CO2

Erstmals hat eine grosse Handelsmacht die Einführung einer Importsteuer beziehungsweise eines Strafzolls auf CO2-Emissionen beschlossen. Die EU spricht allerdings lieber von einem CO2-Grenzausgleichssystem. Seit dem 1. Oktober müssen die Importeure für Einfuhren in die EU von bestimmten Waren die CO2-Emissionen erheben und an die Europäische Kommission melden. Ab 2026 wird dann schrittweise eine CO2-Abgabe auf diesen Importen erhoben.

In der EU existiert bereits eine Steuer auf den CO2-Emissionen, aber eben nur innerhalb der EU. Kraftwerke und grosse Industrieanlagen zahlen für jede emittierte Tonne CO2. Dafür wurde ein Emissionshandelssystem eingeführt. Mit Emissionszertifikaten, die etwa 90 Euro pro Tonne kosten, werden Anreize zur Reduktion von Emissionen geschaffen. Damit lastet die EU die Kosten der Umweltverschmutzung den Verursachern an und geht den Weg Richtung Kostenwahrheit – bravo.

Allerdings besteht dabei die Sorge, dass strengere Umweltauflagen ihren Volkswirtschaften im globalen Wettkampf schaden. Unternehmen können in Länder abwandern, die keinen CO2-Preis haben, und die Europäer können kohlenstoffintensiven Produkte aus Ländern ohne CO2-Preis beziehen. Zudem sind die Anreize für Nicht-EU-Staaten gross, Trittbrettfahrer zu sein, also von den CO2-Reduktionen zu profitieren, ohne selbst die dazu notwendigen Kosten tragen zu müssen.

Mit dem CO2-Grenzausgleichsystem soll diesen Sorgen begegnet werden. Die EU verfolgt damit folgende Ziele: Erstens will sie die Verlagerung von Produktion und Treibhausgasemissionen ins Ausland verhindern. Zweitens will sie Wettbewerbsnachteile für die europäischen Produzenten vermeiden. Drittens will sie andere Länder dazu bewegen, die CO2-Emissionen ebenfalls zu bepreisen, denn Trittbrettfahren soll nicht gratis sein. Viertens will sie die Effektivität und Effizienz in der Klimapolitik verbessern. Klimaschutz ist eben das Paradebeispiel für ein globales Problem, das nur im internationalen Verbund gelöst werden kann.

Die Kritik lässt nicht lange auf sich warten. Die Lage im Welthandel sei schon heute kritisch, neue Barrieren völlig fehl am Platz. Daher könne die Einführung von Klimazöllen Handelsstreitigkeiten auslösen, wird bemängelt. Einige Länder bezeichnen die Massnahme als diskriminierend, als puren Protektionismus und plumpe Industriepolitik. Zudem habe das Grenzausgleichssystem das Potenzial, sich zu einem wahren Bürokratiemonster zu entwickeln.

Dass der Grenzausgleich andere Länder aufschreckt, ist allerdings Teil des Programms, ansonsten wäre er wohl wirkungslos. Der Grenzausgleich gilt grundsätzlich für Einfuhren aus allen Staaten ausserhalb der EU. Ausgenommen werden Länder, die ein gleichwertiges Emissionshandelssystem haben. Zu diesen Ländern gehört die Schweiz. Soll sie ebenfalls ein solches System einführen?

Die Industrie ist geteilter Meinung. So befürchtet die Zementindustrie, dass ohne Klimazölle über kurz oder lang eine Abwanderung stattfinden wird. Hingegen spricht sich die Maschinenindustrie gegen ein Andocken aus, weil ein solcher Zoll die Beschaffung von industriellen Rohstoffen aus dem Ausland deutlich teurer machen würde. Der Bundesrat will sich in den nächsten Jahren nicht am Grenzausgleichssystem beteiligen, weil er die regulatorischen und handelspolitischen Risiken als hoch und den Nutzen als klein einschätzt.

Wie ist der Entscheid des Bundesrates zu beurteilen? Das System der EU differenziert den Grenzausgleich nach Branche und Emissionen. Im Fokus stehen Branchen, die ein erhöhtes Risiko der Abwanderung haben. Der Grenzausgleich kommt also selektiv zum Tragen. Dadurch wird er administrativ komplex, schafft vielfältige Ausnahmen und Möglichkeiten zur politischen Beeinflussung.

Es wäre sehr zu begrüssen, wenn die EU einen pragmatischeren Ansatz verfolgen würde, der sich viel stärker am Vorschlag des Klimaklubs von Nobelpreisträger William D. Nordhaus orientieren würde. In seinem Modell verpflichten sich die Mitglieder zur Einführung eines Mindestpreises für den Ausstoss von Treibhausgasen. Auf den Importen aller Nichtmitglieder wird ein Zoll erhoben. Nichtmitglieder werden also durch den Klub in Form eines Zolls bestraft. Dabei kommt ein einheitlicher Strafzoll zur Anwendung, unabhängig von der Art des importierten Gutes und der Höhe der Emissionen. Es geht also nicht darum, Klima-Kostenwahrheit zwischen Klub- und Nicht-Mitgliedern herzustellen, sondern einzig darum, einen Anreiz zum Klubbeitritt zu setzen und damit möglichst viele Länder in die Reduktion von Treibhausgasen einzubinden.

Peter Eisenhut studierte Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik an der Universität St.Gallen. Er war Hauptlehrer an der Kantonsschule Heerbrugg. Danach war er Mitglied der Geschäftsleitung des St.Galler Zentrums für Zukunftsforschung und anschliessend Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell. Zudem war er Lehrbeauftragter an der Universität St.Gallen und an der Executive School der Universität St.Gallen. Seit 2008 ist er geschäftsführender Partner der ecopol ag Peter Eisenhut ist Autor des Lehrbuches «Aktuelle Volkswirtschaftslehre».

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