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Folgt auf die Rezession ein Wachstumseinbruch?

Die Corona-Pandemie hat die Weltwirtschaft im vergangenen Jahr in eine grosse Rezession gestürzt. So dürfte das BIP der Welt um rund 3.5 Prozent und das der Schweiz um knapp 3 Prozent geschrumpft sein.

Nachfragerückgang

Der Hauptgrund für diese Rezession ist ein Einbruch der Nachfrage. So nahmen die Exporte, also die Nachfrage aus dem Ausland, deutlich ab. Im Inland reduzierten die Konsumenten ihre Ausgaben und erhöhten ihre Ersparnisse. Die Unternehmen – konfrontiert mit Absatzproblemen und gestiegener Unsicherheit – drosselten ihre Nachfrage nach Investitionsgütern. Da in den nächsten Monaten mit einem Erfolg im Kampf gegen das Virus – vor allem aufgrund der Impfungen – gerechnet wird, wird für das laufende Jahr ein Nachfrageschub prognostiziert, welcher der Welt ein Wachstum von gut 5 Prozent und der Schweiz von knapp 3 Prozent bescheren soll.

Schwankungen der Nachfrage lösen Veränderungen des BIP aus und sind massgebend für die Konjunktur, also für die Entwicklung der Wirtschaft in der kurzen Frist. Darauf konzentriert sich die aktuelle Diskussion.

Corona und die langfristige Entwicklung

Aber welche Wirkungen hat das Virus auf das Wachstum – also auf die längerfristige Entwicklung der Wirtschaft? Wirtschaftliches Wachstum ist dann möglich, wenn mehr oder produktiver gearbeitet wird, wenn mehr Kapital zur Verfügung steht und technischer Fortschritt für Innovationen und Effizienzsteigerungen sorgt. Für das Wachstumspotenzial einer Volkswirtschaft ist demnach die gesamtwirtschaftliche Angebotsseite massgebend. Sie bestimmt, wie viele Güter und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft hergestellt werden können.

Ein ungewöhnliches Merkmal der Corona-Rezession ist, dass zusätzlich zur Nachfrage auch Störungen auf der Angebotsseite aufgetreten sind: durch die Absenz von infizierten Mitarbeitern, durch die Schliessung von Geschäften sowie von Landesgrenzen und durch deshalb unterbrochene internationale Wertschöpfungsketten. Aber beeinträchtigt das Virus die Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und technisches Wissen auch langfristig?

Arbeit und Kapital

Noch ist nicht abzusehen, wie viele Unternehmen die Krise nicht überleben werden bzw. welche Zahl an Arbeitsplätzen sie definitiv abbauen müssen. Dabei ist aber zu bedenken, dass Kurzarbeit (aktuell rund 800’000 Erwerbstätige) nur eine Zwischenlösung ist. Je länger eine Person dem Arbeitsmarkt fernbleibt, desto mehr schwinden ihre beruflichen Perspektiven. Ein Teil der von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit betroffenen Personen wird aufgrund veränderter Anforderungen und Strukturen nicht wieder in die Beschäftigung zurückfinden. Denn die Geschäftsfelder von vielen Branchen sind nach der Krise nicht mehr dieselben wie davor. Bildungsexperten befürchten zudem, dass die Lernleistung und das Lernverhalten der Corona-Generation durch die Einschränkungen in der Ausbildung dauerhaft Schaden genommen haben.

Richtet man das Augenmerk auf das Kapital, fällt auf, dass viele Investitionen aufgrund der Pandemie dem Rotstift zum Opfer fallen. So bleiben Modernisierungen aus und die Produktivitätsentwicklung wird gedämpft.

Technische Fortschritt

Sehr entscheidend für das Wachstumspotenzial ist der technische Fortschritt und damit verbunden die Investitionen in Forschung und Entwicklung, die in vielen Branchen ebenfalls gekürzt wurden. Längerfristig kann es vor dem Hintergrund der Verschuldungswelle überdies bei den öffentlichen F&E-Ausgaben zu Kürzungen kommen. Wachstumstreibend wirkt hingegen die durch die Corona-Krise beschleunigte Digitalisierung, die zu Kosteneinsparungen und Produktivitätssteigerungen beitragen kann.

Gedämpftes Wachstumspotenzial

Alles in allem ist aber davon auszugehen, dass die Corona-Pandemie nicht nur eine tiefe Rezession ausgelöst hat, sondern auch das Wachstumspotenzial dämpft. Gemäss Forschungen eines Teams der University of California schwächen aufgrund historischer Erfahrungen Pandemien die Wirtschaft über Jahrzehnte. Das Jahr 2020 hat uns die Erfahrung dafür vermittelt, welche Effekte der Übergang in eine Postwachstumsgesellschaft, wie er z.B. von den Grünen und der Klimajugend gefordert wird, haben könnte: Der Praxistest lässt einerseits Arbeitnehmer um ihre Stelle zittern, Unternehmen um ihre Existenz bangen, Staatsausgaben ansteigen und Steuereinnahmen wegfallen. Andererseits erleichtert ein Wachstumseinbruch die Erreichung der Klimaziele.

Peter Eisenhut

Peter Eisenhut studierte Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik an der Universität St.Gallen. Er war Hauptlehrer an der Kantonsschule Heerbrugg. Danach war er Mitglied der Geschäftsleitung des St.Galler Zentrums für Zukunftsforschung und anschliessend Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell. Zudem war er Lehrbeauftragter an der Universität St.Gallen und an der Executive School der Universität St.Gallen. Seit 2008 ist er geschäftsführender Partner der ecopol ag Peter Eisenhut ist Autor des Lehrbuches «Aktuelle Volkswirtschaftslehre».

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