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Die Inflation ist zurück!

Vor einem Jahr habe ich einen Blogbeitrag mit dem Titel „Inflation: Ein Fossil vergangener Zeiten?“ publiziert und auf die Gefahren einer steigenden Inflation hingewiesen. Nun ist sie zurück! Hätten Sie es damals für möglich gehalten, dass die Inflationsrate in den USA bis Ende 2021 mit 7% auf den höchsten Wert seit 40 Jahren ansteigen wird?  Wohl kaum, aber nicht nur Sie, sondern auch die Nationalbanken haben die Inflationsgefahren unterschätzt. Die Teuerung ist bedeutend hartnäckiger und besorgniserregender als von beinahe sämtlichen Analysten vor einem Jahr erwartet wurde.

Welche Folgen hat die Teuerung?

In vielen Ländern frisst die Inflation die Lohnerhöhungen auf. Denn wer tankt, im Supermarkt einkauft oder im Restaurant isst, zahlt deutlich höhere Preise als vor einem Jahr. Die nominalen Löhne sind zwar auch gestiegen, hinken aber hinter der Teuerung her, sodass die realen Löhne 2021 gesunken und die Kaufkraft geschmolzen sind. Inflation hat immer auch Verteilungswirkungen, z.B. für die Gläubiger, die unter der Inflation leiden, weil ihre Forderungen an Wert verlieren. Auch für Sparer ist Teuerung eine schlechte Nachricht, droht ihnen doch durch Nullzinsen bei gleichzeitig höheren Inflationsraten eine „heimliche Enteignung“. Schon bei einer Jahresteuerung von 2% halbiert sich der Geldwert innert 35 Jahren. Schuldner hingegen profitieren von schwindenden Verbindlichkeiten. Daran haben insbesondere die hoch verschuldeten Staaten Interesse. Inflation ist aber ungerecht und unsozial. Es sind vor allem Geringverdiener, die unter einer Geldentwertung leiden. Ihnen die Mittel fehlen, um den Preisanstiegen auszuweichen, beispielsweise weil sie einen grösseren Teil der Ausgaben für Lebensnotwendiges (wie z.B. Nahrungsmittel oder Mieten) reservieren müssen.

Vorübergehende oder permanente Inflation?

Ein heiss debattiertes Thema ist: Handelt es sich um einen vorübergehenden Inflationsschub oder pendelt sich die Teuerung auf einem wesentlich höheren Niveau ein? Für einen temporären Schub spricht der sogenannte Basiseffekt. Die pandemiebedingt tiefen Preise zu Beginn des Jahres 2021 – insbesondere im Energiesektor – werden als Basis für die Teuerungsmessung mit fortschreitender Zeit abgelöst, was zu  einer Abschwächung der Inflationsrate führen wird. Allerdings gibt es einige Fragezeichen, die den Verdacht auf eine permanente Preiserhöhung nähren.

Erstens: Wie werden sich die Energie- und Rohstoffpreise entwickeln? Diese sind zwar nur schwer prognostizierbar, aber ein weiterer Anstieg ist aufgrund der Entwicklung der Nachfrage und des Angebots durchaus wahrscheinlich. Zudem wird das Ziel einer klimaneutralen Wirtschaft zu höheren Preisen für CO2-Emisssionen führen. Sind doch Preiserhöhungen für fossile Energieträger politisch ausdrücklich erwünscht.

Zweitens: Die internationalen Lieferengpässe bewirken, dass die Elastizität des Angebotes kleiner ist als erwartet. Wie lange halten sie noch an? Die Antwort darauf ist u.a. vom Pandemieverlauf abhängig, der ebenfalls nur schwer vorhersehbar ist.

Drittens: Wie gross ist die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale? Sollten die Löhne der steigenden Teuerung folgen, könnte dies wiederum zu höheren Preisen führen und eine Spirale in Gang setzen. Für Lohnerhöhungen kämpfen verständlicherweise die Gewerkschaften. Rückenwind erhalten sie dabei vom ausgetrockneten Arbeitsmarkt, der sich auf immer mehr Bereiche ausweitet. Die Basis für eine Lohn-Preis-Spirale sind allerdings wachsende Inflationssorgen von privaten Haushalten und Unternehmen. Die Signale dafür sind eindeutig. Gemäss einer Umfrage machen sich selbst in der Schweiz mehr als 80 Prozent der Bevölkerung über eine drohende Inflation „ein wenig bis deutliche Sorgen“.

Viertens: Wie unabhängig ist die Geldpolitik? Einige Notenbanken haben die Notfallprogramme der Regierungen direkt finanziert. Zusammen mit anderen Aspekten deutet dies auf eine zunehmende Verflechtung zwischen der Geld- und der Fiskalpolitik hin. So könnten die Notenbanken mit Rücksicht auf die selbst finanzierte, hohe Staatsverschuldung und auf den beschleunigten Aktienboom nicht so einfach auf die Bremse treten.

Was macht die Geldpolitik?

Gegen Ende 2021 beschloss die Führung der US-Nationalbank (FED) die Drosselung der monatlichen Anleihenkäufe. Ende März 2022 könnte das Kaufprogramm gänzlich beendet werden. Für das laufende Jahr stellt das FED sogar drei bis vier Erhöhungen des Leitzinses in Aussicht. Es wäre eher überraschend, wenn das FED den Worten ebenso harte Taten folgen lassen würde. Noch überraschender wäre eine Kehrtwende im Sinne eines Verzichtes auf Zinserhöhungen. Aber ausgeschlossen werden kann eine solche Wende auch nicht. Für viele Marktbeobachter wäre es eine Bestätigung für das informelles Mandat des FED, die Börsen nicht einbrechen zu lassen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) tut sich schwer mit der Straffung der Geldpolitik. Zwar will sie das Pandemie-Anleihenkaufprogramm im kommenden März auch auslaufen lassen. Sie wird aber weiterhin Staatsanleihen erwerben und Gelder aus fällig werdenden Anleihen vollständig reinvestieren. Zudem dreht sie nach eigenen Aussagen noch für lange Zeit nicht an der Zinsschraube. Alles in allem bleibt die EZB vorläufig also auf dem Gaspedal.

Solange die EZB ihren Kurs nicht ändert, wird auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) in dieselbe Richtung fahren (müssen) wie bisher. Ihre Sorgen bezüglich der inländischen Inflation sind allerdings bedeutend kleiner. Im Dezember 2021 stiegen die Konsumentenpreise um im internationalen Vergleich bescheidene 1.5%. Grund dafür ist der starke Schweizer Franken, der die importierten Waren billiger macht.

Und nun?

Ob die ansteigenden Inflationsraten sich in Zukunft auf ein gewünschtes Niveau zurückbilden werden oder ob mit einer permanent höheren Teuerung zu rechnen ist, bleibt eine der gegenwärtig grossen Unsicherheiten Jedenfalls wird es für die Weltwirtschaft und die Börsen wegweisend sein, wie die Notenbanken mit der erhöhten Inflation umgehen und ob, wann und wie die Notenbanken der superexpansiven Geldpolitik den Rücken kehren.

Peter Eisenhut studierte Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik an der Universität St.Gallen. Er war Hauptlehrer an der Kantonsschule Heerbrugg. Danach war er Mitglied der Geschäftsleitung des St.Galler Zentrums für Zukunftsforschung und anschliessend Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell. Zudem war er Lehrbeauftragter an der Universität St.Gallen und an der Executive School der Universität St.Gallen. Seit 2008 ist er geschäftsführender Partner der ecopol ag Peter Eisenhut ist Autor des Lehrbuches «Aktuelle Volkswirtschaftslehre».

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