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Das Steuerkartell

Die wichtigsten Industrieländer der Welt – die G-7 – wollen die Steuern für grosse Konzerne nach ihrem Willen organisieren. Das Siebnerkartell möchte eine weltweite Gleichschaltung der Unternehmenssteuern. Kernelemente der geplanten Steuerreform sind die Einführung eines Mindeststeuersatzes von 15% auf den Gewinnen von Konzernen sowie die Verlagerung der Steuerbefugnisse an die Länder, in denen die Unternehmen die grössten Umsätze machen, statt im Land des Firmensitzes. Solange die Details nicht geklärt sind, lassen sich die Auswirkungen auf die Schweiz noch kaum abschätzen. Zurzeit liegt der Gewinnsteuersatz in achtzehn Kantonen unter 15%.

Höhere Einnahmen dringend notwendig

Um was geht es den grössten Industrieländern bei dieser Steuerreform eigentlich? Schenkt man ihren Absichten glauben, dann geht es darum, Steuerumgehungen zu verhindern, für eine „gerechte“ und „faire“ Steuerpolitik und das Austrocknen von Steueroasen zu sorgen. Ein anderer Faktor spielt jedoch für diesen Vorstoss eine weit grössere Rolle. In den USA, den Mitgliedern der EU und auch in vielen anderen Ländern steigen die Ausgaben seit Jahren stark an, sodass die globalen Schuldenberge höher sind als nach dem zweiten Weltkrieg. Verständlich, dass händeringend nach mehr Einnahmen gesucht wird.

Janet Yellen, die Finanzministerin der USA und ihre Amtskollegen weiterer G-7 Staaten liessen verlauten: «Die Regierungen benötigen dringend Einnahmen, um ihre Volkswirtschaften wieder in Schwung zu bringen und in Not geratene kleine Unternehmen, Beschäftigte und Familien zu unterstützen.»[1] Ein funktionierender Steuerwettbewerb könnte diesen Absichten einen kleineren oder grösseren Strich durch die Rechnung machen.

Steuerkartell hebelt Steuerwettbewerb aus

Was liegt also näher als mit Kartellabsprachen höhere Preise – sprich Steuern – durchzusetzen? In der Regel greift in solchen Fällen eine Kartellbehörde ein, um diese Art der Aushebelung des Wettbewerbs zu verbieten. Ganz anders bei den G-7 Beschlüssen: Niemand schreitet ein, um dieses Steuerdiktat der Mächtigsten zu unterbieten. Das klingt nicht nur absurd, sondern es ist absurd.

Die G7 verspielen mit diesen Steuerplänen die grossen Vorteile des Wettbewerbs: die permanente Suche nach höherer Effizienz und besseren Lösungen sowie die Disziplinierung der Finanzpolitik in ihrem Appetit auf mehr Steuereinnahmen. In aller Regel hemmen höhere Steuern die wirtschaftliche Entwicklung und sind deshalb mit abnehmendem Wohlstand verbunden.

Subventionsdschungel anstelle von Steuerwettbewerb

Zum Erhalt von Steuervorteilen werden wohl Steuerrabatte oder -gutschriften, Sondertatbestände und Ausnahmen aus der Trickkiste gezogen. Je mehr die Steuern bei der Standortattraktivität an Bedeutung verlieren, desto mehr geraten andere Faktoren in den Fokus: Zum Beispiel die Qualität der Infrastruktur, gut ausgebildete Arbeitskräfte, tiefe Lohnnebenkosten, gute Bedingungen für Forschung und Entwicklung usw. Ganz bestimmt aufgestockt werden die Subventionstöpfe, sei es für Forschung und Entwicklung, für Wasserstoffantriebe, für die Schaffung von Arbeitsplätzen und vieles andere mehr. Es besteht die reale Gefahr, dass der Steuerwettbewerb durch einen intransparenten Subventionsdschungel ersetzt wird.

Ist Widerstand zwecklos?

Die globale Steuerreform ist zwar noch nicht in trocken Tüchern. Im nächsten Schritt müssen die G-20 und damit Länder wie China, Russland und Indien überzeugt werden. Im Anschluss daran sollen auch die OECD-Staaten (140 Länder) die Pläne gutheissen. Bisher ist allerdings kaum Widerstand gegen das Steuerkartell der Grossen zu erkennen. Gegenwehr scheint aussichtlos, zumal sich niemand gerne bei den Mächtigen unbeliebt macht und Sanktionen riskieren will. Einen Platz auf den sogenannt schwarzen und grauen Listen möchte man möglichst verhindern.

Dennoch sind Zweifel an dieser Strategie angebracht. Erstens ist zu bedenken, dass die Gegner eines Steuerwettbewerbes ein Interesse an einem möglichst hohen Steuerniveau haben. Das belegt folgendes Zitat aus dem bereits erwähnten Beitrag: „Angesichts der grossen Entschlossenheit in den bisherigen Gesprächen und der enormen Unterstützung für eine starke globale Mindestbesteuerung sind wir zuversichtlich, dass der Steuersatz letztlich auf mehr als 15% angehoben werden kann.“ Zweitens sind diese Steuerpläne ein Angriff auf die Unabhängigkeit, auf eine freiheitliche Wirtschafts- und Steuerpolitik einzelner Länder sowie auf die Volksrechte.

Die Faust im Sack bringt nichts

Auch wenn die Erfolgsaussichten angesichts der geballten Stärke der Mächtigsten bescheiden sein mögen, sollten es die anderen Staaten nicht bei der Faust im Sack belassen, sondern in der Gemeinschaft von Gleichgesinnten eine klare Haltung darlegen und Lösungsvorschläge präsentieren. Dabei darf man erstens nicht vergessen, dass es in der OECD noch vor wenigen Jahren hiess, dass Firmensteuern zu den schädlichsten Steuern überhaupt gehören. Zweitens sollte man sich aber auch daran erinnern, dass eine Steuerumgehung durch einen einfachen Briefkastenwechsel nicht dem Steuerwettbewerb gemäss Lehrbuch entspricht.

[1] Gastbeitrag Frankfurter Allgemeine vom 10. Juni 2021: Mindeststeuer: Ungerechtigkeiten der Weltwirtschaft überwinden (faz.net)

Peter Eisenhut studierte Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik an der Universität St.Gallen. Er war Hauptlehrer an der Kantonsschule Heerbrugg. Danach war er Mitglied der Geschäftsleitung des St.Galler Zentrums für Zukunftsforschung und anschliessend Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell. Zudem war er Lehrbeauftragter an der Universität St.Gallen und an der Executive School der Universität St.Gallen. Seit 2008 ist er geschäftsführender Partner der ecopol ag Peter Eisenhut ist Autor des Lehrbuches «Aktuelle Volkswirtschaftslehre».

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