Die Stärke des Schweizer Frankens
Der Erfolg einer Währung wird nicht an ihrer Schwäche, sondern an ihrer Stärke gemessen. Allein schon deshalb ist der Franken eine Erfolgsgeschichte, hat er sich doch seit der Einführung des Euro um 66 Prozent aufgewertet und gegenüber dem «Rest der Welt» sogar um 87 Prozent. Keine andere Währung hat so stark an Wert zugelegt. Der Franken ist ein Fels in der Brandung.
Segen oder Fluch?
Das ist ein Segen für die Konsumenten, ein Steilpass für Ferienreisende ins Ausland und für Unternehmen, die im Ausland einkaufen. Auch der Finanzplatz profitiert, gilt der Franken doch als sicherer Hafen, was ihn attraktiv für ausländische Investoren macht. Tiefe Zinsen und tiefe Inflationsraten sind weitere Erfolgsfaktoren des Frankens.
Der Erfolg hat aber auch einen Preis. So ist es unbestritten, dass eine Verteuerung des Frankens auf die Wettbewerbsfähigkeit der Exporteure drückt. Der im Ausland erzielte Umsatz ist zu Hause weniger wert. Deshalb ist die Währungsentwicklung für die Schweizer Wirtschaft eine permanente Herausforderung, vor allem für exportorientierte KMU, welche im Inland produzieren und einkaufen.
Fitness- oder Abmagerungskur?
Von Kommentatoren wird oft gelobt, dass die Stärke des Frankens nicht nur die Kaufkraft der Konsumenten erhöhe, sondern auch zur Fitness der Unternehmen beitrage. Er treibe die Unternehmen permanent dazu an, ihre Produktivität zu steigern, Innovationen zu fördern, zu diversifizieren, neue Märkte zu erschliessen und Lieferketten anzupassen. Aber nicht alle Unternehmen überstehen den Fitnessparcours ungeschoren, einige erfahren die Frankenstärke viel mehr als Abmagerungskur. So sind beispielsweise die Exporte der Maschinen-, Apparate- und Elektronikbranche in der Schweiz seit 2009 um 25 Prozent gefallen. Industriefirmen sind aufgrund der Wechselkursentwicklung darauf bedacht, Einnahmen und Kosten währungsmässig in Einklang zu bringen. Dies gelingt ihnen, wenn sie für Vorleistungen vermehrt Lieferanten aus dem Ausland berücksichtigen oder die Produktion gleich dorthin verlagern, wo sie ihre Produkte auch verkaufen. Diese Trends schwächen den Produktionsstandort Schweiz.
Nominell oder real?
Aber täuscht der Eindruck der Aufwertung des Frankens um 66 bzw. 87 Prozent nicht? Aufgrund der grossen Inflationsdifferenzen haben doch die Kosten, die im Ausland für Löhne und Einkäufe anfallen, viel stärker zugenommen als im Inland. Gleicht die Frankenaufwertung nur diese Teuerungsunterschiede aus, bleibt unter dem Strich doch alles beim Alten. Man kann sich eben nicht über eine tiefere Inflation freuen und sich gleichzeitig über den starken Franken ärgern. Entscheidend dafür, ob die Ferien im Ausland günstiger werden und ob sich die Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert, ist die reale Entwicklung einer Währung, also die Veränderung des Wechselkurses nach Berücksichtigung der Inflationsdifferenzen.
Tatsächlich fällt die reale Aufwertung des Frankens seit der Einführung des Euros bescheidener aus: 18 Prozent gegenüber dem Euro und 14 Prozent gegenüber dem «Rest der Welt». Dadurch relativiert sich der Druck auf die Wettbewerbsfähigkeit tatsächlich. Allerdings kann ein nomineller Aufwertungsschub kurzfristig nicht einfach so durch Preiserhöhungen kompensiert werden. Einerseits aus vertraglichen Gründen und andererseits kann die Elastizität der Preise so hoch sein, dass Preissteigerungen – z. B. aufgrund der Konkurrenzsituation – sich nicht durchsetzen lassen. Zudem fällt die Inflation je nach Warenart unterschiedlich aus, so dass die nominelle Wechselkursentwicklung nicht automatisch ausgeglichen wird.
Die Rolle der Schweizerischen Nationalbank
Die wirtschaftlichen Krisen seit 2009, die Veränderungen in der Weltordnung und in der Wirtschaftspolitik sowie die Geldpolitik der ausländischen Nationalbanken haben die Schweizerische Nationalbank (SNB) in den letzten Jahren auf das Äusserste herausgefordert. Um eine Bedrohung für die Schweizer Wirtschaft abzuwenden, griff sie zu scharfem Geschütz. Um die Frankenstärke zu beschränken, kaufte sie von 2010 bis 2022 Devisen im hohen Ausmass, führte Negativzinsen ein und legte von 2011 bis 2015 einen Mindestkurs für den Euro fest. Im Umfeld ansteigender Inflationsraten und Zinsen beendete die SNB die Negativzinsphase im Herbst 2022 und begann, Devisen zu verkaufen. Sie nahm damit eine Aufwertung des Frankens in Kauf, um die Inflation dank günstigeren Importen zu begrenzen.
Das Inflationsziel der SNB – zwischen 0 und 2 Prozent – wurde seit 2009 in acht Jahren verfehlt. Zwei Mal überstieg die Inflation die obere Grenze und in sechs Jahren wies die Preisstatistik eine Deflation aus. Als Folge der massiven Käufe von Devisen hat sich die Bilanzsumme seit der Finanzkrise verachtfacht und die Eigenkapitalquote der SNB ist von 60 auf 8 Prozent gesunken. Gleichzeitig ist das Verlustpotenzial auf den Devisenbeständen stark angestiegen, kostet doch jedes Prozent Aufwertung die SNB rund 7 Milliarden Franken. Der Ausblick auf das laufende Jahr verspricht nicht weniger «Unruhe». Der Franken ist jedenfalls nur so stabil wie das wirtschaftliche und politische Umfeld.