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Abhängigkeiten reduzieren

Löst das Wort „Abhängigkeit“ bei Ihnen auch Assoziationen aus, die vorwiegend negativ besetzt sind? Jedenfalls hat die zunehmende globale Vernetzung zu Abhängigkeiten geführt, deren Schattenseiten in letzter Zeit in den Fokus gerückt sind. So hat die Pandemie gezeigt, wie leicht Störungen in den globalen Wertschöpfungsketten zu Lieferengpässen führen können. Der Ukraine-Krieg legte die Problematik der Abhängigkeit von russischem Gas offen. Der Konflikt zwischen China und den USA hat vor Augen geführt, wie schnell eine strategische Partnerschaft zur grössten Herausforderung für die nationale Sicherheit, für den wirtschaftlichen Wohlstand und für die Erreichung der geopolitischen Ziele werden kann.

Auch für Europa scheint die Abhängigkeit von China zur wirtschaftlichen Achillesferse zu werden. Die EU und die USA wollen deshalb die Abhängigkeit von Rohstoffen aus China verringern, die Lieferketten diversifizieren und die Produktion vorzugsweise ins eigene Land oder zumindest in nähergelegene Regionen mit denselben Werten und Interessen holen. Zum Schutz der nationalen Sicherheit und des Wohlstandes soll die Unabhängigkeit in sogenannt strategisch wichtigen Bereichen erhöht werden. Dazu gehören Software, Halbleiter, seltene Erden, Batterien, Solarpanels und vieles mehr. Zur Zielerreichung werden Massnahmen wie beispielsweise Export- und Importverbote, Kontrolle ausländischer Investitionen, Subventionsprogramme und Zölle eingesetzt.

So prüft die EU gegenwärtig die Einführung eines Strafzolles für den Import von Elektroautos aus China, um sich vor der Flut von billigen E-Fahrzeugen zu schützen. Die USA verlangen schon heute einen Importzoll von 27.5 Prozent auf chinesischen Autos. Auch digitale Technologien werden zur strategischen Ressource erklärt. Die Einfuhr von Huawei-Geräten in die USA ist seit Ende 2022 verboten, und China hat jüngst die Ausweitung des Verbotes von iPhones bekannt gegeben.

Die Wirtschaft steht Abkoppelungstendenzen von China skeptisch gegenüber. Denn China war, ist und bleibt ein attraktiver Markt. Aber die geopolitischen Faktoren und der Wandel in der Wirtschaftspolitik müssen auch in den Unternehmensstrategien berücksichtigt werden. Dabei ist ein gewisses unternehmerisches Dilemma nicht zu übersehen. Ein schon länger anhaltender und sich verstärkender Trend ist, dass in China nur noch für den chinesischen Markt produziert und der Rest in andere Länder verlagert wird.

Nicht nur die Unternehmen stehen vor diesem Dilemma, sondern auch die Staaten bekommen die Diskrepanz zwischen politischen Zielen und wirtschaftlichen Erfolg immer stärker zu spüren. Die Abschottungstendenzen sind nämlich mit hohen Kosten verbunden, die Konsumenten, Unternehmen und Steuerzahler zu berappen haben. Wirtschaftliche Freiheit und Zugang zu den internationalen Märkten als Garant für Wohlstand kollidieren mit nationalen und ideologischen Tendenzen im Inland – sowohl in China, den USA als auch in Europa.

Peter Eisenhut studierte Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik an der Universität St.Gallen. Er war Hauptlehrer an der Kantonsschule Heerbrugg. Danach war er Mitglied der Geschäftsleitung des St.Galler Zentrums für Zukunftsforschung und anschliessend Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell. Zudem war er Lehrbeauftragter an der Universität St.Gallen und an der Executive School der Universität St.Gallen. Seit 2008 ist er geschäftsführender Partner der ecopol ag Peter Eisenhut ist Autor des Lehrbuches «Aktuelle Volkswirtschaftslehre».

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